Mittwoch, 3. August 2011

am Rand der Klippe

Stumm stehe ich hier, am Rand der Klippe. Die sinkende Sonne lässt die Schlucht in einem geheimnisvollen, rötlichen Licht erstrahlen. Der Wind gleitet in sanften Böen über mich hinweg.
Jeden Abend komme ich hierher, um das Farbenspiel an den Hängen zu betrachten.
Ich habe das Gefühl, ich könnte mich vom Boden lösen und davonfliegen. Weit, weit fort.
Ich will nicht zurück. Wer kehrt schon gern in ein Zuhause zurück, dass einem wie ein Gefängnis vorkommt, in dem einen schmerzend enge Fesseln an den Boden ketten?
Langsam hebe ich den Kopf zum Himmel empor. Ein einsamer Adler zieht majestätisch seine Kreise. Gebannt verfolge ich seinen Flug.
Frei wie ein Vogel.
Mein Blick streift über die Felsen. Imposant erheben sich diese Zeugen der Ewigkeit aus der Tiefe. Die Stille scheint im Gedenken an alte Zeiten zu schwelgen. An alte Gemeinschaften.
Ich wünschte, ich könnte den Mantel der Einsamkeit abstreifen, der mir auferlegt wurde.
Ich wünschte, ich könnte aus der Dunkelheit aufsteigen und die Strahlen der Liebe auf meiner Haut spüren.
Ich wünschte mir so viel. Und nicht einer dieser Wünsche wird mir erfüllt.
Mit einem Mal kommt mir das Abendrot vor wie frisches Blut.
Ich schaudere. Mein Blick schweift in die Tiefe.
Wie viele Meter mag die Schlucht nach unten führen? Wie weit ist der Boden wohl entfernt?
Dreihundert Meter? Fünfhundert? Tausend?
Ich weiß es nicht.
Der Wind streicht mir das Haar aus der Stirn. Meine Augen beginnen zu tränen.
Während die salzigen Tropfen sich ihren Weg über meine Wangen bahnen, wende ich den Kopf.
Ich will nicht zurück.
Ich schaue zum Horizont. Erneut wünsche ich mir, abzuheben und dorthin zu fliegen. Dorthin, wo ich den Blick nicht senken muss, wo ich frei atmen kann.
Wo ich meine Wege nicht allein gehen muss.
Ein letztes Mal zieht der Abgrund meinen Blick an.
Wenn ich nun falle, würde mich jemand auffangen? 



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